Erlebnisbericht von Stefan zur
Anreise am Freitag:
Ein Alpinrunner
gibt nicht auf
7'500 Höhenmeter, 104 km, 12
Verpflegungsposten, 9 Alpinrunner im Ziel, 6 fehlende Verstrebungen
im Bett, 5 mal umsteigen, 3 Alpinrunner auf dem Podest und 3 geniale
Betreuer(innen)….
Mit einem vom EHC
Chur gemieteten Bus fahre wir alle zusammen nach Verbier, mit Thomas
am Steuer, routiniert wie ein Postautochauffeur. Die Bergwelt rund
um Verbier lässt schon erahnen, was da auf uns zukommt. Einchecken
im Sportzentrum, Nummern holen, ein kühles Bier und dann ein
flexibler Wirt, der uns für 18 Franken spontan ein Salatbuffet und
Teigwaren anbietet, obwohl so etwas nicht auf seiner Karte steht.
Dann Vorbereitungen
für den grossen Tag. Diskussionen um Bekleidung, Schuhwerk,
Rucksäcke, Verpflegung….Schon daran merkt man, dass kein normaler
Lauf bevorsteht. Fausto mit einem spontan bei der Nummernausgabe
gekauften Rucksack, Denise mit einer ziemlich grossen
Taschenapotheke, die schon fast einem Notarzt gute Dienste leisten
könnte, verschiedenste Gels und der neue Trend: Kompressionssocken.
Diejenigen, die schon beim Transalpine 2008 dabei waren, geben den
anderen ihr zweites „Team Alpinrunner“-Shirt. So erkennt man uns
gleich als Alpinrunner. Dann, schon nach Mitternacht, endlich Ruhe.
Kurz darauf sieht man im Dunkeln Fausto an seinem Bett hantieren,
die Matratze hochgehoben, wie ein Automechaniker unter der
Motorhaube. Er versucht zu Retten, was an diesem Bett noch zu retten
ist, denn ca. ein Drittel der Latten fehlt. Für ein paar Minuten
Ruhe, dann steht plötzlich Silvan neben dem Kajütenbett, wie ein
Geist in seinem weissen Pyjama, zerrt die Matratze herunter und legt
sich draussen unter dem Sternenhimmel zum Schlafen hin. Zu warm ist
es im Zimmer mit immerhin 8 Leuten. Kurz darauf macht sich auch
Stefan B. auf den Weg nach draussen, samt Bettinhalt. Nachdem einer
der beiden Fremden, die auch in diesem Zimmer einquartiert worden
sind, mit einem „Zusammenschiss“ endlich davon abgebracht werden
kann, weiter zu schnarchen, ist dann endlich Ruhe. Für kurze Zeit.
Um 03.00 geht der Wecker ab. 03.30 ist Frühstück. Auf dem kurzen
Fussweg zum Start fällt Fausto der halbe Inhalt aus dem Rucksack.
Das fängt ja gut an. Um 5 Uhr der Startschuss. Die letzten Sekunden
sind ungewöhnlich ruhig. Alle denken wohl daran, was noch bevorsteht.
Unser Betreuerteam mit Petra, Margot und Silvan liegt noch in den
Federn. Auch Ihnen steht ein strenger Tag bevor. Und auch
diejenigen, die in La Fouly starten, träumen noch etwas. Für sie ist
um 07.00 Frühstück
Erlebnisbericht von Marco über "die
Schlaufe": Da
standen wir alle hinter der Startlinie bereit im halbdunkeln und
warteten auf den Start. Aus dem Lautsprechern hörte man gedämpft
(war ja noch Nachtruhe) eine Stimme etwas auf Französisch plaudern
was ich als Sprachbanause nicht verstand und mir auch egal war. Wir
wünschten uns gegenseitig noch alles Gute zum Lauf zu und schon ging
es los ohne Hektik und ohne Gedränge durch die Strassen von Verbier.
Einige Zuschauer waren doch bereits am Strassenrand und gaben uns
Läufern Glückwünsche auf den Weg. Beim Verlassen des Dorfes
gelangten wir auf einen Bergwanderweg der uns mit schönen Aussichten
zur Bergstation oberhalb Verbier brachte, eine wunderbare
Sonnenaufgangstimmung erlebten wir auf dem Grat entlang und das
musste man einfach geniessen, es war herrlich. Bald erreichte ich
den ersten Verpflegungsposten bei einer Bergstation. Das Läuferfeld
hat sich bereits etwas auseinander gezogen und es herrschte keine
Hektik an den Verpflegungsposten, die es etwa alle 10 Km einen gab.
Der erste Anstieg bereits hinter uns und nun folgte ein Abstieg nach
Sembrancher von 2200 nach 800 m.ü.M. mit einem Zwischenanstieg von
200 hm auf einer Teerstrasse (:-() Beim runter laufen auf den fast
20 km konnte ich etliche Läufer überholen und glaubte dann bei
unserer ersten persönlichen Verpflegung in Sembrancher nicht als
Silvan mir sagte es seien erst 6 Läufer vor mir durch. Ich lief fast
das ganze Rennen alleine, darum kann ich nur aus meiner Sicht
beschreiben wie ich diesen Lauf empfunden habe. Es war nun gegen 9
Uhr und das Wetter war sehr schön, sodass die Sonne bereits etwas
einheizte. Auf schönem Wanderwegen geht die Strecke entlang das Tal
hoch gegen Orsiere. In Champex die nächste
Verpflegungsstation, jetzt hiess es genügend trinken wenn es so warm
geworden ist und die Temperaturen steigend sind. Nun folgen 500 hm
absteigend nach Issert im Val Verret, sehr schönes Gebiet das mich
an das Rheinwald erinnert. Ein Bach fliesst dahin der bestimmt sehr
kühl wäre um etwas abzukühlen, aber nicht gerade in Reichweite.
Leider hat es auf der ganzen Strecke keine Brunnen und der
Wasservorrat aus dem Rucksack geht langsam zu ende. Bald erreichte
ich La Foully wo der Start der kürzeren Distanz erfolgt. Von der
Zeit her war ich sehr gut unterwegs und konnte eine Stunde vor dem
Start der Läufer in La Fouly passieren. Es war ein tolles Gefühl
durch das Dorf zu laufen in 7. Position, es kam mir etwas vor wie in
Bergün beim K78 bevor der K42 gestartet wird. Es wurde applaudiert
und die vielen Läufer bildeten eine Gasse wo ich durchlaufen konnte.
Da standen dann Petra, Silvan und Margot die mich bereits erwarteten
um mir die Wasserreserve zu füllen und meinen Verpflegungswünsche zu
erfüllen. Ich hatte seit einiger Zeit nichts mehr zu trinken und war
sehr durstig, sodass ich anstelle eines halben Bechers Cola den mir
Petra geben wollte, gleich die Flasche ansetzte und ein haben Liter
Cola runter schletzte. Das war herrlich. Weiter ging's an den vielen
applaudierenden Leuten vorbei, Silvan begleitete mich etwa 3 Km eine
Alpstrasse hoch und kehrte dann wieder. Für mich liegen nun ca.
1000hm anstieg bis zum höchsten Punkt der Tour auf 2750 m.ü.M.
Alleine wie gewohnt lief, oder eher wanderte ich dem Bergpfad hoch
und traf ein paar wenige Wanderer auf der Strecke an. Von weitem
bereits sah ich dann auf dem Übergang eine Ansammlung Leute stehen,
das musste der höchste Punkt sein. Als ich diesen erreicht hatte
wollte ich ein "Juchzger" laufen lassen, aber der blieb im Hals
stecken. Einer vom Streckenposten winkte mich gegen ein Schneefeld
her meinte hier geht es weiter, ja dann dachte ich mir und rutschte
auf dem Schneefeld die folgenden ca. 200 hm runter, erst auf den
Schuhen, dann auf dem Hosenboden das ging ja rasant vorwärts,
judihui... Am Schneefeldende musste ich dann erst mal meine Schuhe
vom Schnee befreien, mein Hintern hatte Zeit genug um wieder zu
trocknen. Der folgende Abstieg nach Liddes erforderte volle
Konzentration auf den Kalksteinbestückten Wanderwegen, ich wollte
doch kein Sturz riskieren. Trotzdem schnell unterwegs überholte ich
gruppenweise Wanderer die mit ihren hohen Bergschuhen etwas erstaunt
stehen blieben und mir nachschauten. Dann kamen die schnellen Läufer
des Rennens, das in La Fouly gestartet wurde. Nun holte ich ein
Läufer ein, der vor Krämpfe nur noch wacklig auf den Beinen stand.
Ich fragte um zu helfen, aber er gehe nun ganz langsam. Oha,
hoffentlich stehe ich das durch ohne Krämpfe die folgenden noch 38
Km. Dann rief mich Petra an, sie können nicht nach Liddes kommen,
der Bus musste abgeschleppt werden und sie versuchen dann nach
Lourtier, dem letzten grossen Verpflegungsposten zu kommen. Na gut,
verpflege ich mich bei Liddes beim offiziellen Verpflegungsposten.
Es ging in eine Mehrzweckhalle, dort haben sie alles bereitgestellt
auf Tischen, aber ich konnte nichts essen, mag einfach nichts. Auf
einer Leinwand wurden die aktuellen Durchgangszeiten angezeigt, da
erscheint eine Liste mit vielen Namen und meiner auf der fünften
Linie, ich fragte eine Helferin ist das die Rangliste? oui, oui!
antwortete sie und zeigte auf meinen Namen und bemerkt gleich, dass
mein Verfolger 10 min. hinter mir liegt. Das stresste mich nicht, da
ich das Ziel Verbier vor Augen hatte und keine Rangierung, aber
erstaunt war ich schon, dass ich so weit vorne lief. Ich packte dann
ein Stück Brot und Käse für unterwegs, aber gegessen hatten es dann
doch die Füchse oder Hasen. Beim nächsten Brunnen nahm ich mir dann
Zeit um mein Trinksack zu füllen, das war dann sehr wichtig, denn
1300 hm folgen wieder. Eine wunderbare Landschaft hier im Wallis,
rechts geht es gegen den Grand Combin und der Mont Blanc ist auch
nicht so weit entfernt. Vor der letzten grossen Verpflegung kam mir
Silvan ein weites Stück entgegen und wir liefen gemeinsam runter
nach Lourtier wo Petra und Margot warteten. Ein letztes Mal gut
verpflegen mit Nudelsuppe, ein Weggli und ein Gel als Reserve in den
Rucksack und los auf die letzte Herausforderung 1400 hm und "nur
noch" 12 Km , das schaffe ich, das wusste ich nun sicher, dass ich
nach Verbier laufen kann, egal wie lange ich brauche. Nun wurde es
schon hart, denn der Aufstieg ins Skigebiet von Verbier hat eine
happige Steigung die mich zweimal zwang eine kurze Pause
einzusetzen. Nun überholte mich einer der grossen Strecke und ich
verlor ein Platz, das steckte ich locker weg, denn er lief noch
recht kräftig voran. Jedoch kam dann noch einer mit dreistelliger
Nummer (die vom 52 km hatten vierstellige Nummern) das wollte ich
mir nun nicht mehr bieten lassen und verschärfte mein Tempo, da es
nun nur noch 8 km runter geht nach Verbier. Ich sah ihn dann erst im
Ziel wieder mit 12 min. Abstand und auf den nächsten vor mir fehlten
gerade mal 30 Sekunden. Silvan stand im Ziel und gratulierte mir zu
meinem 6. Platz. Ich war stolz und glücklich darüber dass ich es
geschafft habe und noch bei Tageslicht das Ziel erreichte. Mit
Schüttelfrost und steifen Beinen wackelte ich zur Unterkunft unter
eine warme Dusche und wartete im warmen Schlafsack auf die folgenden
Alpinrunner/innen.
Erlebnisbericht von Betreuerseite gesehen, von Margot:
105 Km und 7'200 Hm respektive 52 Km und 4'000 Hm –
wer macht denn so was?
Die Alpinrunner natürlich. Denise, Ursula, Nicole Katrin, Marco,
Thomas, Stefan S., Stefan B und Fausto sind die Wilden. Die kann man
aber da nicht alleine auf die Strecke lassen und deshalb haben wir
(Petra, Silvan, Margot) ein Betreuerteam gestellt.
Ausgestattet mit Strassen- und Routenplänen und beladen mit
Verpflegung, Ersatzkleidern, Arznei und allerlei Tuben und
Pülverchen sind wir am Samstag morgen zu noch ganz christlicher
Stunde mit unserem Bus nach Sembracher an den ersten Posten
gefahren. Unser erster Läufer, Marco, liess dann auch nicht lange
auf sich warten und war superschnell unterwegs. Nachdem alle
verpflegt und mit guten Wünschen wieder auf der Strecke waren hatte
uns das Wettkampffieber erfasst und wir freuten uns auf den zweiten
Treff bei Halbzeit in La Fouly.
Leider war unser Bus nicht halb so fit wie wir und hat kurz vor dem
Ziel einfach schlapp gemacht. Ein kurzes Pfeifen, dann ein Räuchlein
und zum Schluss noch Gestank und aus die Maus. Keilriemen gerissen.
Zugegeben, dass haben wir nicht selbst herausgefunden obwohl wir
alle lange und intensiv den Motorraum studierten, samt Handbuch.
Unsere Läufer mussten aber trotzdem nicht ohne uns durch die 52
Kilometerschranke und wir waren froh, alle gesund und ohne grössere
Probleme anzutreffen. Hier standen nun auch die drei Frauen von
der kürzeren Strecke im Startblock und erwarteten ihr Abenteuer.
Ja und wir standen auch da mit einem Berg Gepäck viel gutem Willen
und einem Auto das nicht mehr wollte. Nach einer Odyssee mit
Akrobatikübungen in Sachen Französisch, Abschleppwagen, den Silvan
auch noch selber chauffieren musste und einer nicht ganz billigen
Taxifahrt standen wir wieder vor dem Centre Sportive in Verbier. Was
nun? Den dritten Posten hatten wir verpasst aber für den letzten in
Lourtier könnte es noch reichen, wenn wir ein Gefährt auftreiben
konnten. Petra und Silvan machten sich ans Werk und schon bald
sassen wir nur noch mit Proviant bewaffnet bei hilfsbereiten
Mitbetreuern im Wagen.
Dieser Verpflegungsposten war dann ganz speziell. Von hier waren es
„nur“ noch 11 Km für die verrückten Zeitgenossen. Ein letztes Mal
verpflegen, aufmuntern, ein wenig trösten und weiter ging's. Auf
Dämmerung und einen schönen Sonnenuntergang folgte schon bald die
Nacht. Überall am Berg sahen wir gelbe Punkte durch den Wald
aufblinken. Es mutete fast ein wenig gespenstisch an, als Petra und
ich ein Stück der Strecke entlang gingen und noch manch einsamen
Kämpfergeist motivierten.
Die letzte Herausforderung war dann noch die Fahrt Richtung
Schlafsack um 0.45 Uhr im Schutthlebus. Schmale Bergstrasse,
hunderte Meter Abhang und ein pressanter Chauffeur. Mit einem
Stossgebet gen Himmel und dem Schutzengel auf der Schulter sind wir
dann doch heil gelandet.
Nicht wirklich freiwillig und auch nicht plötzlich „grün“ nach der
vielen Lauferei in der Natur haben wir den Heimweg mit den öVs
bewältigt. War nicht für alle ganz einfach mit soviel Gepäck und
müden Knochen aber was ein richtiger Alpinrunner ist steckt das
lucky weg.
Es war ein Wochenende der etwas anderen Art.
So hat Thomas diesen
„verrückten“ Lauf erlebt
Was haben wir uns
im Vorfeld für Gedanken über diesen Lauf gemacht, wie geht man eine
solche Distanz an, kann man so ein Lauf überhaupt überstehen usw.
Die genauen Daten des Veranstalters: 105.72km mit +/- 7340 hm ? so
was verrücktes. Die Distanz ist ja noch nachvollziehbar, etwas mehr
als der K78 aber die Höhenmeter!! Nicht vorstellbar. Jetzt stehen
wir also hier am Start, morgens um 5 Uhr. Schon das ist speziell und
erinnert mich an den Transalpin - Run 08, als wir um 7 Uhr gestartet
sind. Der Start also im Morgengrauen, zuerst durch das Dorf und
schon fängt die erste Steigung an. Ich sehe Denis, Marco und die
beiden Stefans vorne in Pulk verschwinden, nur Fausto ist noch
hinten bei mir, er hantiert noch etwas an seinen Stöcken herum. Je
höher wir steigen, umso heller wird es und schon bald können wir den
Sonnenaufgang erleben. Der Aufstieg zum Pierre Avoi ist etwas zum
geniessen und doch stelle ich mir die Frage, bin ich nicht zu
schnell angegangen? Ein sehr schönes Panorama - Trail führt zur
Bergstation Savoleyre und dann hinunter zur ersten Verpflegung bei
Croix de Coeur. Diese Gegend kenne ich noch sehr gut von meinen
Einsätzen für Funkverbindungen des Gran Raid Cristalp, einem Bike –
Rennen oder dem Rally du Valais oder auch für die Patrouille de
Glacier. Kurz nach der Verpflegung laufe ich zu Oli Ritschard auf,
ein Bekannter der am 1. Erlebnislauf dabei war. Den folgenden Teil
der Strecke laufen wir mehrheitlich zusammen. Erst kurz vor
Sembrancher, einem flachen Teil nach ca. 30 km zieht er wieder
davon. Bei Sembrancher bei 31km und dem tiefsten Punkt der ganzen
Strecke bei 720 m ü M ist die erste grosse Verpflegung. Hier warten
auch Petra, Margot und Silvan auf mich. Kurze Pause, den Camelback
füllen, etwas essen und weiter geht’s. Was ich mir als leichten
Aufstieg in Richtung Champex vorgestellt habe, zeigt sich als
steiler Aufstieg ohne Abwechslung, und es wird immer wärmer. Ich
habe meine erste Krise und einige Läufer ziehen an mir vorbei. Hier
nur genug trinken und etwas essen und dann ein Abstieg von etwa 400
m bis nach Issert. Es folgt ein nicht enden wollender Teil bis nach
La Fouly. Es wir immer wärmer, ich habe das Gefühl nicht vom Fleck
zu kommen und zudem laufe ich fast alleine. Vorne sehe ich niemanden
und von hinten kommt auch keiner. Den letzten teil vor La Fouly
laufe ich nur noch, obwohl es gar nicht steil ist und mir ist
eigentlich klar, dass ich in La Fouly aufhöre. Dort angekommen,
werde ich von unserem Betreuerteam herzlich empfangen. Ich sei doch
gut im Rennen in meine Absicht aufzuhören überrascht sie eher. Ich
nehme mir eine Bedenkfrist und verpflege mich dabei ganz gemütlich.
Erst als ich sehe, dass eine ganze Gruppe weiterer Läufer eintrifft,
entschliesse ich mich spontan, doch weiter zu laufen. Das eben
erfahrene Problem mit unserem Fahrzeug gibt mir auch noch zu denken
und ich versuche telefonisch so gut wie möglich zu helfen. Bald
merke ich, dass der Entscheid weiter zu laufen wohl richtig war,
denn es geht mir plötzlich wieder gut und ich kann in kurzer Zeit
einige Läufer/innen überholen. Dann der steile Aufstieg zum höchsten
Punkt auf 2750m. Ein nicht endender, sehr steiler Aufstieg, bei dem
ich einige kurze Pausen zur Erholung der übersäuerten Muskeln
einlege. Inzwischen hat auch das Wetter gekehrt und kurz vor dem
höchsten Punkt fängt es leicht an zu regnen. Hier hole ich auch Oli
wieder ein und gemeinsam nehmen wir, bei dichtem Nebel den Abstieg
in Angriff. Zuerst erreichen wir ein grosses, stark abfallendes
Schneefeld voller Spuren. Wegen dem dichten Nebel erkennen wir
zuerst aber nicht wo es endet und in welche Richtung es geht. Total
durchnässt geht’s weiter, 1400 hm hinunter bis nach Liddes. Das geht
ganz schön in die Oberschenkel und hier ist für mich wieder eine
Pause angesagt. Ich verpflege mich ganz gemütlich, wechsle meine
durchnässten Socken und weil es wieder angefangen hat zu regnen,
ziehe ich meinen Regenschutz an und mache mich an die nächste
Steigung. Die Gewissheit, doch schon fast 75km und 4600hm gemeistert
zu haben, gibt mir nochmals einen Schub und die folgende Steigung
von 1100hm auf 6km bis zur Cabane de Mille ist genau das was mir
gefällt. Unterwegs hohle ich Oli wieder ein, der etwas früher in
Liddes losgelaufen ist. Bei der Cabane de Mille gibt es warme
Boullion in feinen Früchtekuchen. Der Regen hat aufgehört und im
folgenden Abstieg, der zuerst sehr anspruchsvoll mit vielen kurze
Gegensteigungen versehen ist, fühle ich mich richtig wohl und bald
habe ich eine ganze Gruppe hinter mir gelassen und laufe alleine dem
nächste Kontrollposten bei der Cabane de Brunet entgegen. Bis
hierher habe ich praktisch kaum einmal auf die Uhr geschaut aber
jetzt ab 10 Uhr abends zwingt mich die einbrechende Dunkelheit, eine
der Pflicht –Stirnlampen aus dem Rucksack zu nehmen. Jetzt kommt mir
auch plötzlich der Gedanke, dass ich es bis ins Ziel schaffen kann!
Der zweitletzte Abstieg? Nicht zuviel denken, laufen ist angesagt
und der Abstieg im Dunkeln mit der Lampe braucht dann einiges mehr
an Zeit. Kurz vor Lourtier, der nächsten Verpflegung höre ich
jemanden hopp rufen und bald erkenne ich zu meiner grossen Freude im
Schein der Lampe, dass Petra und Margot hier auf mich warten.
Während ich meine Beine etwas strecke, werde ich mit Verpflegung
bedient. So jetzt noch der Rest, 94km sind bereits geschafft! Noch
diesen Aufstieg nach La Chaux und dann nur noch runter nach Verbier,
da kann nichts mehr schief gehen? Inzwischen ist Oli auch
eingetroffen und gemeinsam gehen wir in den letzten Aufstieg. Auch
dieser Aufstieg ist mit 1200hm auf 5km wieder sehr steil. Wieder
fühle ich mich recht wohl dabei und kann eine ganze Reihe
Läufer/innen überholen. Im Dunkeln kann ich nicht erkennen, ob es
solche der langen oder der kurzen Strecke sind. Oberhalb der
Waldgrenze bin ich plötzlich ganz alleine. Irgendwo, noch weit weg
vermute ich das Licht vom nächsten Posten, hinter mir sehe ich
niemanden. Irgendetwas gibt in der nahen Bergwiese seltsame
Pfeifgeräusche von sich, ich kann aber nicht einordnen was es für
ein Tier sein könnte. Etwas weiter oben biegt es nach links ab und
bald sehe ich die Lichter von La Chaux. Bis dorthin führt der Weg
aber noch über einen grösseren Bach und hier hole ich dann auch
wieder eine Gruppe von Läufern/innen ein. Es scheint vielen doch
einige Mühe zu bereiten, müde und im Dunkeln durch die Nacht zu
laufen. Nach dem Kontroll – und Verpflegungsposten La Chaux laufe
ich zügig weiter, zuerst über einen Feldweg und dann einem
Wasserkanal entlang in Richtung Les Ruinettes. Wieder höre ich ein
gleiches Pfeifen aus der nahen Wiese, nur gibt es jetzt etwas weiter
weg jedes Mal eine Antwort, die ähnlich tönt. Schon bin ich wieder
ganz alleine und nach einiger Zeit sehe ich die ersten Lichter von
Verbier. Ein gutes Gefühl aber noch bin ich nicht im Ziel. Es fehlen
noch 700hm Abstieg, alles durch den Wald bis zum Dorfrand von
Verbier. Zuerst empfängt mich eine Frau, vermutlich vom O.K. die mir
auf französisch sagt, es gehe nur noch 200m bis ins Ziel und dann
fragt mich doch ein am Strassenrand sitzender Typ auf englisch, ob
ich ihm eine Zigarette hätte. Meine spontane Reaktion “spinnsch
eigentli“ wird er wohl nur an der Gestik verstanden haben. Und jetzt
das Ziel, es ist mir zuerst gar nicht so klar, dass es jetzt fertig
ist und ich es geschafft habe. Ich setze mich einmal hin, es ist
bald 02Uhr 30, essen mag ich nichts, am ehesten hätte ich ein Bier
getrunken wenn ich gerade eines bekommen hätte. Nach ein paar
Minuten kommt auch Oli ins Ziel und nach einer kurzen Gratulation
wünschen wir uns beide nichts anderes mehr als eine warme Dusche und
dann ab in den Schlafsack. Eine zufriedene Gelassenheit ab der
vollbrachten Leistung erfüllt mich in den folgenden Tagen. Die
Müdigkeit ist weg und Beschwerden habe ich gar keine mehr und im
Nachhinein bin ich froh, habe ich das Rennen nicht bei Halbzeit
aufgegeben, sonst hätte ich ein wirklich eindrückliches Erlebnis
verpasst.
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